Männer Opfer der Emanzipation? Unsinn!

Wenn die Frau an den alten Strukturen rüttelt, muss sich auch der Mann neu finden (Foto: Photocase.de / ZWEISAM)
Wenn die Frau an den alten Strukturen rüttelt, muss sich auch der Mann neu finden (Foto: Photocase.de / ZWEISAM)

Wer muss Platz machen, wenn Frauen nach oben aufrücken? Richtig, die Männer. Und die tun sich ein wenig schwer damit. Doch manchmal steckt dahinter nicht einmal böser Wille, sondern etwas ganz anderes.

Eigentlich wollten wir nur ganz entspannt einen Wein in meiner Küche trinken. Ich hatte Besuch von einem Freund, wir saßen zusammen, redeten über dies und jenes, und kamen irgendwie auf die Frauenquote. Er arbeitet im naturwissenschaftlichen Bereich und erzählte davon, wie er einmal einen Job nicht bekommen hatte, weil der wegen einer Quotenregelung an eine Frau vergeben worden war, obwohl er eigentlich viel qualifizierter gewesen sei. Er regte sich darüber auf, dass mit einer Frauenquote Jobs nicht mehr an den qualifiziertesten Bewerber gingen, sondern Frauen bevorzugt würden, ganz unabhängig von ihrer Qualifikation, und das sei doch ungerecht.


Dies ist ein Stück, das für das Projekt „BizzMiss“ entstanden ist – ein Online-Magazin, das ich im Jahr 2014 mit drei Mitstreiterinnen gründete. BizzMiss gibt es mittlerweile nicht mehr. Hier habe ich notiert, warum das gut ist.


Mein dezenter Hinweis, dass bisher ja auch nicht jeder Job an den qualifiziertesten Mann gegangen sei, wurde weggewischt mit Verweis auf die eigene Erfahrung. Das wäre sein Job gewesen. Und als ich ihn fragte, woher er wisse, dass er qualifizierter gewesen sei, bekam ich natürlich keine richtige Antwort. Und das konnte ich ihm nicht einmal übel nehmen – wie hätte er das auch wirklich beurteilen können.

Die Ungerechtigkeit in der Übergangszeit aushalten

Aber je länger er so redete, umso wütender wurde ich. Ich empfand das einfach als wahnsinnig ungerecht – bis heute ist es so, dass die Arbeit einer Frau weniger wert ist, einfach nur, weil sie eine Frau ist. Frauen bekommen in Deutschland fast ein Viertel weniger Geld für dieselbe Arbeit, so groß ist die “Pay Gap”. Zaghafte gesellschaftliche Ansätze, das zu ändern, werden von den Männern – auch von den aufgeklärten unter ihnen – aber nicht als notwendiger Wandel empfunden, sondern sofort torpediert. Mit dem Hinweis darauf, dass das ungerecht sei. Dass man diese Ungerechtigkeit in einer Übergangszeit aushalten muss, um eine viel größere Ungerechtigkeit zu beseitigen, das sehen sie offenbar nicht. Emanzipation na klar, aber nur, wenn ich keinen Millimeter zurückweichen muss, wenn ich keinen Jota meines Reviers räumen muss?

Das Gespräch ließ mich aber nicht nur wütend zurück, sondern auch einigermaßen ratlos. Wenn sogar junge Männer, Freunde von mir, die Frauen als mehr oder weniger gleichberechtigt wahrnehmen, so reden, dann haben wir noch einen sehr, sehr weiten Weg vor uns.

Männer müssen sich ebenso neu erfinden

Sicherlich ist es aber zu kurz gegriffen, zu behaupten, dass es meinen Freunden nur um ihren Status oder ihre Macht als Männer geht. Sie sind in einer wesentlich gleichberechtigteren Welt aufgewachsen als noch unsere Eltern, viele von ihnen sagen sogar in aller Deutlichkeit, dass sie die Emanzipation unterstützen, dass sie eine starke Partnerin haben wollen und keine, die zu Hause nur den Dreck wegputzt, und dass sie ihre weiblichen Kolleginnen schätzen und gern mit ihnen arbeiten. Und ich glaube ihnen das auch.

Ich habe vielmehr den Eindruck, das hier etwas anderes geschieht: Die Frauen rütteln an der bekannten Geschlechterverteilung, streben in männliche Domänen, professionalisieren sich. Auch wenn man das gut findet, bedeutet das aber auch, dass man sich als Mann ebenfalls neu erfinden muss. Wenn die Frau die alte Rollenverteilung auflöst, zerfällt auch das Gefüge, in dem sich der Mann eingerichtet hatte. Er muss sich, genauso wie die Frau das tut, einen neuen Platz suchen.

Es geht nur gemeinsam

Vor einiger Zeit sprach ich mit einem Freund, der gerade eine Frau kennen gelernt hatte. Er saß vor mir und sagte, dass er gar nicht wisse, wie er ihr gegenüber auftreten solle. Was ist angemessen, was ist richtig: Soll er die Richtung vorgeben? Oder eher den Softie raushängen lassen? Woher könne er wissen, was jetzt bei genau dieser Frau richtig sein könnte? Ich sagte zu ihm: Sei doch einfach Du selbst. Da zuckte er nur mit den Schultern. Und mir wurde bewusst: Er war sich unsicher, wer er selbst denn eigentlich ist.

Männer, ich kann verstehen, dass ihr verwirrt seid. Wir sind es auch. Das, was gerade passiert, geht eben über die Einführung einer Frauenquote im Beruf hinaus: Wir sehen gerade, wie sich eine Gesellschaft komplett vom Kopf auf die Füße stellt. Aber das ist nichts, was uns Angst einjagen sollte, im Gegenteil: Das ist etwas wunderbares. Lasst uns doch gemeinsam da hindurchgehen. Gesteht uns etwas zu, unterstützt uns, und wir fassen Euch an den Händen und nehmen Euch mit. Es geht ja sowieso nur gemeinsam.

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