Geständnisse einer “Rabenmutter”

Vereinbarkeit klappt nur mit Unterstützung (Foto: Dakota Corbin / Unsplash)
Vereinbarkeit klappt nur mit Unterstützung (Foto: Dakota Corbin / Unsplash)

Juliane von Friesen hat das schier Unmögliche geschafft und als allein erziehende Mutter Karriere gemacht. Das ging nicht ohne schlechtes Gewissen – und fremde Hilfe. Gut, dass es dafür jetzt auch ein Start-up gibt.

Manchmal hat sie 50 oder 60 Stunden in der Woche gearbeitet. Trotzdem hat sie einen Sohn groß gezogen – ganz allein: Juliane von Friesen war Anfang der 2000er Jahre parteilose Wirtschaftssenatorin in Berlin und auch davor und danach viel beschäftigt, doch sie hat das Kunststück vollbracht, an dem so viele Frauen scheitern: Sie hat Familie und Karriere verwirklicht. Ganz ohne einen Mann an ihrer Seite. Wie hat sie das geschafft?

Einfach war das ganz und gar nicht. „Das Schwierigste war, das Kind bei der Arbeit auszublenden“, sagt sie heute. „Männer können das offenbar besser“, meint sie. Gleichzeitig wehrte sie sich nachdrücklich dagegen, nur wegen ihrer Mutterschaft unweigerlich im Beruf zurück zu stecken. „Meine Hormone machen mich nicht automatisch zur besseren Kinderhüterin“, sagt sie. Heute klingt das abgeklärt, aber man spürt noch immer, wie viel Trotz damals darin gesteckt haben muss. Und trotzig muss die arbeitende Mutter sein, sehr trotzig – und verdammt gut organisiert.

War sie eine Rabenmutter, weil sie so viel arbeitete?

Juliane von Friesen wollte unbedingt weiterarbeiten. Und es war dieser unbedingte Wille, der es sie schaffen ließ: „Ich hatte Horror davor, zu Hause zu sitzen.“ Gleichzeitig spürte sie die stummen Vorwürfe. War sie eine Rabenmutter, weil sie so viel arbeitete? Weil sie sich nicht non-stop aufopferungsvoll um ihr Kind kümmerte, sondern sich auch ein eigenes Leben, eine eigene Karriere gestattete? So lange ihr Sohn glücklich wirkte – und das tat er – setzte sie sich damit nicht auseinander, sagt sie. Aber sie weiß auch, dass sie Glück hatte. Ihr Sohn war „pflegeleicht“, „mit seinem Naturell ging das gut.“


Dies ist ein Stück, das für das Projekt „BizzMiss“ entstanden ist – ein Online-Magazin, das ich im Jahr 2014 mit drei Mitstreiterinnen gründete. BizzMiss gibt es mittlerweile nicht mehr. Hier habe ich notiert, warum das gut ist.


Ihr Geheimnis, diese Mammutaufgabe zu wuppen, lässt sich auf eine relativ einfache Formel bringen: „Will ein Mann Karriere machen, muss er eine Frau haben, die ihm den Rücken freihält. Vor allem aber muss er gut im Beruf vernetzt sein – will eine Frau Karriere machen, muss sie gut im Beruf und zusätzlich im Privaten vernetzt sein“, sagt von Friesen. Und das umzusetzen ist die große Herausforderung.

“Mein Sohn hatte drei Zuhause”

Von Friesen hatte das Glück, an verschiedenen Stellen andocken zu können: Sie leistete sich nicht nur eine Haushaltshilfe, auch ihre Mutter zog wieder nach Berlin und war dadurch im Alltag greifbar; außerdem hatte von Friesen eine Freundin, die in einer ähnlichen Situation war: Drei Kinder, mitten in der Ausbildung zur Fachärztin. „Mein Sohn hatte drei Zuhause“, sagt die Ex-Senatorin. Er mochte das, empfand das nicht als Entwurzelung, sondern als Bereicherung, als Abenteuer. Dass das funktionierte, lag an ihm, an seinem Charakter, dass er so pflegeleicht war – aber auch daran, dass er es gar nicht anders kannte, weil von Friesen unmittelbar nach seiner Geburt in den Job zurückkehrte.

Doch nicht jeder hat von Hause aus ein so enges soziales Netz, das er in Anspruch nehmen kann, oder das Glück, dass Oma und Opa in derselben Stadt wohnen. In diese Lücke stoßen Start-ups wie Maternita. Gegründet wurde Maternita im vergangenen Jahr von Ulrike Käfer und Inga Sarrazin – beides Mütter. Sie nennen ihr Unternehmen „Schwangerschafts-Concierge-Service“ und sie setzen damit bereits an, noch bevor das Kind überhaupt geboren ist. Sie begleiten die werdenden Mütter von der Schwangerschaft bis ins erste Lebensjahr des Kindes, helfen bei der Beantragung von Geldern, beim Finden der passenden Hebamme oder einer guten Kita, bis hin zur Organisation der Kinderbetreuung, wenn die Mutter wieder in den Beruf zurückkehrt.

„Für jedes Bedürfnis, das die Frauen haben, gibt es einen Ansprechpartner“, sagt Ulrike Käfer. „Wir helfen, ihn zu finden, nehmen den Frauen die Sorgen. Wir wollen ihnen zeigen, dass es geht, Muttersein und Beruf zu vereinbaren.“ Und sie weiß, wovon sie redet, immerhin hat sie ja gerade selbst gegründet und ihre Tochter ist erst zwei Jahre alt.

Die Karriere einer Mutter kostet Geld

„Eine perfekte Lösung in dieser Vereinbarkeitsdebatte haben wir auch nicht“, gibt Käfer zu. Die Rush-Hour des Lebens, in der es im Beruf zur Sache geht und die Frauen gebären, die könnten sie auch nicht entschärfen. „Aber wir helfen, den Alltag zu optimieren, um Zeit zu gewinnen.“ Tatsächlich sind es bisher vorwiegend Frauen, die wenig Zeit, aber einen guten Job haben, und die bestimmte Dinge an Käfer und Sarrazin „outsourcen“.

So etwas kostet Geld. Das gilt für Services wie Maternita, aber auch von Friesens Haushaltshilfe arbeitete nicht umsonst. Sich ein solches Netz aufzubauen, und sich dann auch zu trauen, es zu nutzen, ist das eine. Das zweite ist, es dauerhaft finanzieren zu können. Wenn eine Mutter arbeiten will, muss sie das in ihrer Rechnung berücksichtigen.

„Mein Job stand nie zur Debatte“, sagt Juliane von Friesen. „Er war für das finanzielle Überleben unerlässlich.“ Mit ihren Gehältern und Honoraren erkaufte sie sich also auch die Möglichkeit, überhaupt arbeiten gehen zu können, so paradox das klingt. Doch an eine selbst auferlegte Regel hielt sie sich dabei immer: Sie hat niemals eine Akte mit nach Hause genommen. War sie zu Hause, galt all ihre Aufmerksamkeit ausschließlich ihrem Kind.

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