Von der Wirtschaftsjournalistin zur New-Work-Expertin: Wie ich lerne

Frau mit Brille (Bild: Sara Kurfeß on Unsplash)
Lernen passiert konstant und unaufhörlich (Bild: Sara Kurfeß on Unsplash)

Im Studium habe ich monatelang in der Bibliothek gesessen und Bücher gewälzt. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört zu lernen – doch heute lerne ich komplett anders. Hier verrate ich mein Rezept.

Als ich das erste Mal als „New-Work-Expertin“ bezeichnet wurde, hat sich das seltsam angefühlt. Expertin – muss man dafür nicht ganz viele Bücher gelesen haben, Paper veröffentlicht, vielleicht auch einen Job in irgendeiner passenden Institution haben?

Ich meine, ich habe studiert, aber etwas völlig anderes als das, womit ich mich heute beschäftige. Tatsächlich habe ich sogar – nach dem Abitur – zwei Ausbildungen absolviert: Zuerst habe ich studiert, auf Magister noch, und anschließend ein anderthalbjähriges Volontariat an einer crossmedialen Journalistenschule gemacht. Ich bin also eigentlich ziemlich gut ausgebildet – allein, ich habe diese Ausbildungen in anderen Bereichen genossen.

Mein Volontariat hatte einen thematischen Schwerpunkt, nämlich Wirtschaftsjournalismus. Ich bin mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Verbraucheriournalismus ausgebildet worden und habe auch meine Praxisstationen in entsprechenden Bereichen absolviert, zum Beispiel im Wirtschaftsressort des Tagesspiegels, wo ich auch nach Abschluss meines Volos weitergearbeitet habe.

Scheitern als Startpunkt meiner Lernreise

Doch Wirtschaftsjournalistin zu sein und auch dafür ausgebildet worden zu sein, ist etwas ganz anderes als eine „New-Work-Expertin“ zu sein. Trotzdem habe ich heute kein Problem mehr mit dieser Bezeichnung. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Ich habe meine Vorstellung davon, was Lernen und Wissen ist, radikal verändert.

Dazu hat vor allem meine Beschäftigung mit Neuer Arbeit beigetragen. Denn eine meiner Kernfragen ist, wie wir das Wissen, das wir in Zukunft in den Unternehmen brauchen werden, in die Unternehmen bekommen. Wie können wir Arbeiten und Lernen eng verschränken? Wie können wir lernende Organisationen bauen? Und so viel ich auch über meine Arbeit spreche und schreibe – am meisten lerne ich selbst davon. Es ist ein unglaubliches Privileg, durch all die Türen zu gehen, die sich mir öffnen, in Unternehmen hineinzuschauen, mit Menschen in den Austausch zu kommen, sie auf ihrem Weg zu begleiten.

Dass ich das begriffen habe, liegt auch an einem Schlüsselerlebnis, das ich zu Beginn meiner Karriere hatte. Kurz nachdem ich mich nach dem Volontariat selbständig gemacht hatte, gründete ich mit drei Mitstreiterinnen ein Online-Magazin. Über zwei Jahre arbeiteten wir daran, bis wir es schließlich einstellen mussten. Ich nahm diese Situation damals ganz bewusst an und entschied mich: Das ist kein Scheitern, kein Stolpern, sondern eine Chance. Und rückblickend muss ich sagen: Es ist mir glücklicherweise gelungen, aus diesem eher weniger schönen Erlebnis den Startpunkt einer Reise zu machen, deren Intensität und Kraft mich jeden Tag aufs Neue überrascht. Eine Reise, die ich nie hätte vorhersehen oder planen können, doch die sich deshalb vor mir entfaltet, weil ich sie bewusst angenommen habe und sie aktiv gestalte. Das ist im Übrigen auch meine Botschaft an die Unternehmen: Was ihr für die Transformation wissen müsst, ist bereits in Euch, ihr müsst es nur zugänglich machen. Meine Transformation kann Eure Transformation sein!

Ich beschäftige mich jeden Tag mit etwas Neuem

Auf dieser Reise habe ich nie aufgehört zu lernen. Ich erlebe es oft, dass wir nach Schule und Ausbildung im Berufsleben als „ausgelernt“ gelten. Weiteres Lernen im Berufsleben findet nur noch in engen Grenzen statt: Hier und da mal eine Fortbildung oder ein Bildungstag, das war es fast schon.

Ich hingegen lerne jeden Tag. Ich beschäftige mich jeden Tag mit etwas Neuem, lese, was ich in Finger bekommen kann – viel online, gelegentlich Bücher, wobei es zu diesen Themen noch keinen elaborierten Wissenskanon gibt. Und vor allem lerne ich, indem ich raus in die Welt gehe, auf Veranstaltungen gehe, in die Unternehmen schaue und mich mit Menschen austausche. Der Austausch mit Menschen ist tatsächlich meine stärkste Inspirationsquelle geworden, was sich zuerst – wenn man eine wissenschaftliche Ausbildung hat und monatelang in Bibliotheken gesessen hat – etwas seltsam angefühlt hat. Doch heute weiß ich, wie viel in meinem Kopf passiert, wenn ich mit Menschen in Austausch gehe, wie viele Verknüpfungen und Verbindungen ich ziehe, wie sehr ich davon profitiere, mit ihnen ihre Gedanken und Sichtweisen zu diskutieren.

Ich bemühe mich, vernetzt zu lernen, Verknüpfungspunkte zu schaffen und möglichst viele unterschiedliche Einflüsse in mich aufzunehmen. Und ich versuche, meine eigene Filterbubble immer wieder zu verlassen und auch, die Grenzen meiner Komfortzone immer wieder zu überschreiten. All das trägt zu einem umfassenden Lernerlebnis bei. Wer lernen will, sollte bewusst danach streben.

Es gibt kein Richtig oder Falsch

Und ich merke auch, wie wertvoll es für mich ist, mittlerweile in ganz Deutschland in unterschiedlichen Regionen zu arbeiten. Auch das ermöglicht mir immer wieder neue Blickwinkel auf die Themen, mit denen ich mich beschäftige.

Auf diese Weise wird mein Lernen zu einer Gemeinschaftsanstrengung. Eine Anstrengung, die über meine Person hinauswächst, weil ich meine Themen ja mitnehme, Thesen an meinem Gegenüber „teste“, mich mit Widersprüchen auseinandersetze und versuche, Trends oder Entwicklungen zu erkennen.

Das ist im Übrigen auch, woran ich mit den Unternehmen und den Menschen arbeite: Dass sie Neue Arbeit als Lernreise wahrnehmen lernen, dass es keinen Wissenskanon und kein Richtig oder Falsch gibt, dass man aber trotzdem vieles wissen kann und dass Austausch und Offenheit die wichtigsten Zutaten sind.

Ich meine: Wem es gelingt, den Vernetzungsgedanken und das Streben nach größtmöglicher Komplexität in seinem Lernen und Arbeiten abzubilden, der ist auf dem richtigen Weg.


Lesetipp darüber hinaus: Wie Organisationen in Zukunft lernen werden


 

3 Gedanken zu „Von der Wirtschaftsjournalistin zur New-Work-Expertin: Wie ich lerne

  • 19. März 2019 um 8:00 Uhr
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    Hallo Inga,

    vielen Dank für den Artikel! Kurze Frage: Welches sind deine Formate bei denen du in den Austausch gehst? Welche Webseiten / Dienste nutzt du, um neues zu lesen?

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    • 3. April 2019 um 7:02 Uhr
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      Hallo Norman,

      für mich ist Twitter eine meiner wichtigsten Nachrichtenquellen. Ich folge dort spannenden Leuten und lese, was sie teilen. Auch Veranstaltungen sind wichtig für mich, seit anderthalb Jahren gibt es den New Work Salon hier in Berlin, den ich monatlich veranstalte – da lerne ich auch immer total viel. Und ansonsten: Wo auch immer ich bin, treffe ich mich mit Leuten und tausche mich mit ihnen bei einem Tee oder einem Wein aus.

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  • 22. August 2019 um 12:20 Uhr
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    Hallo Inga,
    fand Deinen Beitrag zu den Regionen Deutschlands sehr interessant und bin da auf Deine Webseite gestoßen und über Deine Art zu lernen. Da mich die Aufgeschlossenheit für die Zukunft mit der Kompassnadel als Junge schon interessierte, finde ich es jetzt als Rentner aus einem anderen Blickwinkel -erneut und noch- interessant. Mich haben dabei das Buch von Harari (21 Lektionen für das 21. Jhdt.) motiviert, noch in einem für mich neuen Gebiet Python-Programmierung (Games und Artificial Intelligence) etwas zu lernen. Das würde ich auch gerne mit anderen Älteren oder Jüngeren tun, ohne gleich viel Geld dafür auszugeben; das scheint aber nicht leicht. Andererseits kenne ich auch Leute, die noch mit 90 Sport machen und auch noch trainieren, was zum einen von der positiven Lebenseinstellung zeugt als auch den durchaus noch langen und lohnenswerten Lebensweg (über mehrere Dekaden) ausfüllen kann. In dem Zusammenhang finde ich auch das Hörbuch von Stefan Kloppe (Way of Champions) als eine spannende Motivationshilfe.

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