Ab Freitag um eins, … schnackt man mit den Kollegen

Das Büro von Thoughtworks in Melbourne (Foto: Inga Höltmann)
So kann Feierabend auch aussehen: Das Büro von Thoughtworks im australischen Melbourne (Foto: Inga Höltmann)

Freitag Nachmittag, endlich Wochenende. Die meisten von uns können kaum erwarten, Feierabend zu machen. Dabei geht es auch anders – und das ist gut für das gesamte Team.

Endlich Wochenende! Freitags können wir es ja kaum erwarten, ins Wochenende zu gehen. „Ab Freitag um eins macht jeder seins“ sagen wir gern, und auch wenn ich nie einen Job hatte, bei dem ich tatsächlich Freitag Mittag hätte Feierabend machen können, so ist diese Denkweise doch tief in uns verankert: Bei der Arbeit arbeiten wir und nach Feierabend leben wir.

Natürlich habe ich Kollegen, mit denen ich befreundet bin und die ich privat treffe, doch dass meine Redaktion ein Ort ist, an dem ich auch leben darf, das kann ich nicht behaupten. Dabei denke ich oft zu den raren Gelegenheiten, wenn ich Kollegen auch mal privater erwische, mit denen ich eigentlich nicht befreundet bin, dass es schön wäre, diese Möglichkeit ganz ungezwungen öfter zu haben.

Unsere Büros sind oft keine Lebensräume

Das wir so wenig bei der Arbeit leben können, liegt zu einem großen Teil schlicht und ergreifend daran, dass unsere Büros keine Lebensräume sind. In der einen Redaktion, in der ich regelmäßig arbeite, gibt es nicht einmal einen Rückzugsort für ein privates Telefonat. Meistens tue ich das dann in dem kleinen Flur bei den Toiletten neben dem Kopierer – ungestört ist anders. In der anderen Redaktion gibt es kein Geschirr und kein Besteck in der Küche. Wenn ich mir selbst Essen mitbringe, muss ich auch daran denken, Messer und Gabel einzupacken. Tee kochen wir hier meistens in der alten Kanne einer ausrangierten Kaffeemaschine.

Wenn ich hier Feierabend habe, gehe ich – so schnell wie möglich. Es gibt für mich auch überhaupt keinen Grund, länger zu bleiben.

Der Kühlschrank war gut gefüllt mit Bier und Wein

Dass es auch anders geht und was das mit der Atmosphäre im Job macht, durfte ich auf meiner Reise in Melbourne (Australien) erleben. Dort war ich nämlich bei Thoughtworks eingeladen. Thoughtworks ist ein us-amerikanisches Tech-Unternehmen (das es übrigens seit ein paar Jahren auch in Deutschland gibt). Das Büro von Thoughtworks Melbourne liegt mitten im Stadtzentrum, im 19. Stock hat man von dort einen wunderbaren Blick über diese wunderbare Stadt.

Es war ein sonniger Freitag Abend gegen 17 Uhr. Um diese Zeit hört man in Deutschland wo es irgend möglich ist, bereits die Staubballen durch leere Bürogänge rollen, nicht so hier: Die Kollegen hatten zwar längst aufgehört zu arbeiten, doch daheim waren sie noch lange nicht. Stattdessen standen sie zusammen, jemand hatte etwas zu essen kommen lassen und der Kühlschrank war gut gefüllt mit Wein und Bier. Auch ich war sofort eingeladen, man drückte mir einen Wein in die Hand und ließ mich an den Gesprächen teilhaben.

Die offene Küche ist das Zentrum des Büros

Im Herzen des Büros ist die offene Küche. Sie ist das Zentrum des großen Raumes und bietet auch tagsüber immer wieder einen Rückzugs- oder Begegnungsraum. Drumherum befinden sich die Schreibtische, an denen die Kollegen arbeiten. Auch an jenem Abend saßen manche Kollegen noch an ihren Plätzen und unterhielten sich über Dinge, die mit ihren aktuellen Projekten zusammenhingen. Andere Kollegen waren im Küchenbereich zusammengekommen. Ich erlebte eine offene Kollegenschar, die harmonisch miteinander umging und die sichtlich gern Zeit miteinander verbringt. Ich bin mir sicher, dass auch ihre Zusammenarbeit von den freitagabendlichen Drinks profitiert.

Mir gefällt diese Idee. Sie ist einfach umzusetzen, nicht teuer und hat ganz sicher einen positiven Effekt auf das Team und seine Arbeit. Solche Angebote gibt es natürlich auch in Deutschland, vereinzelt zumindest, aber ich kenne das eigentlich nur von Unternehmen in der Digitalbranche. Warum eigentlich? Ich würde mir wünschen, dass meine Auftraggeber mir ebenfalls eine solche Wertschätzung entgegen bringen.

Gut für ungebundene Mitarbeiter

Doch ich weiß auch, dass mir diese Idee vor allem auch deshalb gefällt, weil ich unabhängig bin. Eine gute Freundin von mir, die Mutter ist, hörte sich meine Erzählung an und sagte dann: „Das würde mich sehr unter Druck setzen!“

Wer nicht frei in seinen Entscheidungen ist, wer zu Hause einen Partner warten hat oder in der Kita das Kind und deshalb ausgeschlossen ist von diesen Zusammenkünften, dem mag unter Umständen etwas fehlen. Jeder weiß, wie viele wichtige oder richtungsweisende Entscheidungen in solch informellen Rahmen getroffen werden. Denn wie man es dreht und wendet – auch bei Thoughtworks fand das Zusammentreffen nach Feierabend statt. Nicht jeder war geblieben, einige waren bereits gegangen, doch so mancher saß noch mit einem Kollegen zusammen und redete auch über Job-Angelegenheiten.

Mir gefällt diese Form der Wertschätzung, die Thoughtworks seinen Angestellten entgegenbringt. Sie stärkt das Team und damit auch seine Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Stück weit exklusiv und holt nicht alle Mitarbeiter in ihren unterschiedlichen Lebensphasen gleichermaßen ab. Das sollte man im Blick behalten – abhalten von solchen Angeboten sollte das einen Arbeitgeber aber hoffentlich nicht.

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